Wetteraukreis (jek). Am Abend nach der überraschenden Wahl Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten kam vergangene Woche die Wetterauer CDU in Bad Salzhausen zu ihrem Neujahrsempfang zusammen, den sie gemeinsam mit dem Niddaer Stadtverband feierte. Das Thema ging nicht ganz spurlos an der Kreisvorsitzenden Lucia Puttrich vorüber, dennoch: Mit dem Frankfurter Franziskanermönch Bruder Paulus als Gastredner stand doch ein anderes Thema im Vordergrund – der Wert des Menschen.

Seriöse Antworten auf die Fragen unserer Zeit: Die Kreisvorsitzende der Wetterauer Union, Lucia Puttrich, blieb auch am Donnerstag vergangener Woche ihrer Analyse treu: Wir leben in einer Zeit, in der sich vieles verändert, in der die Gesellschaft vor riesigen Herausforderungen steht – in einer Welt, die sich immer schneller dreht. „Wenn ich etwas vermisse, dann ist das erstens, dass wir, glaube ich, mehr Haltung zeigen müssen und damit auch aushalten müssen, wenn jemand widerspricht“, sagte die Wetterauer CDU-Vorsitzende dem Publikum in Bad Salzhausen. Und damit kam Puttrich zu den Ereignissen in Thüringen, wo der FDP-Mann Thomas Kemmerich – inzwischen nur noch geschäftsführend im Amt – sich von AfD, FDP und eben auch der CDU hat zum Ministerpräsidenten wählen lassen. „Welche Einstellung führt dazu, dass man mit Stimmen der AfD einen Ministerpräsidenten wählt?“, fragte Puttrich und ließ spätestens mit dem Hinweis, dass man den thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke inzwischen als Faschisten bezeichnen darf, keinen Zweifel daran, dass ihre Parteikollegen in Thüringen hier eine Grenze überschritten hatten, die der CDU bislang heilig schien. Und mit den Arbeiten an einem neuen Grundsatzprogramm befinde sich die CDU gerade in der Phase, in der es darum gehe, die Bedeutung des C in der Partei wieder eindeutiger zu definieren.

Zu diesem Projekt könnte auch der Vortrag des Gastredners, dem Franziskanermönch Bruder Paulus, beigetragen haben. Der stellte in den Vordergrund, dass der Wert des Menschen im Prinzip unverhandelbar sei. „Das Christentum ist die Verheißung, dass du dich als Mensch nicht vollkommen machen musst, um groß, stark, wertvoll – irgendwas zu sein“, sagte Paulus. Dabei mahnte der Geistliche nicht nur, dass sich niemand sein Menschsein verdienen müsse, sondern auch, mehr Toleranz zu üben, gerade im Blick auf den Eigenwert eines jeden Mensch. „Ich lebe in Frankfurt mit sieben Brüdern zusammen, mit denen würde ich nie freiwillig Urlaub machen“, beschrieb Paulus den Umstand, dass es darum gehe, den Wert anderer zu erkennen, auch wenn einem die Meinung derer 25-mal auf den Keks gehe. „Dann will ich erst mal den Wert erkennen, der in dir drin ist, und mich dann vor dir verneigen und mit dir diskutieren“, sagte der Franziskaner. Dabei forderte er vor allem die Rückkehr zu einer respektvollen Diskussionskultur: „Sie kommen alle als Krieger zusammen und nicht als Forscher. Wir brauchen viel mehr Forscher in diesem Land als Krieger“, skizzierte er, dass der Streit inzwischen zu einem Spiel ausgeartet sei, in dem es nur noch um Gewinnen oder Verlieren gehe, statt um den Erkenntnisgewinn. Paulus forderte die Zuhörer auf, eine „fröhliche Konkurrenz zu leben“ und ermunterte sie zusammenzulaufen, um miteinander das Gemeinsame zu finden. Ebenso warnte Bruder Paulus vor einem Gift, dass es Engagierten so schwer mache, mit Hingabe engagiert zu bleiben: vor dem Vorurteil, dass politisch Aktive ihren Antrieb nicht aus Liebe zu den Menschen nähmen, sondern nur eigennützige Motive vorherrschten, wenn sich jemand für die Politik entscheide.

Quelle: Oberhessen-Bote v. 13.2.2020

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